Der lange Weg vom Tollhaus zur Werkstatt für Behinderte
Vom 9. März bis zum 20. April 2008 wurde im Museum Villa Erckens die Ausstellung Bild-Störung! Der lange Weg vom Tollhaus zur Werkstatt für behinderte Menschen gezeigt.
Die Wander-Ausstellung bot einen Überblick über die Geschichte der Benachteiligung behinderter Menschen und über die Wurzeln der Werkstatt für behinderte Menschen.
Auf 30 Bild- und Texttafeln und über 90 zum Teil farbigen Abbildungen wurde ein eindrucksvolles Sittenbild des gesellschaftlichen Umgangs mit geistig, psychisch oder körperlich behinderten Menschen erfahrbar gemacht.
Krüppel, Bucklige, Missgeborene, Kreaturen, Irre, Narren waren zumeist in allen Kulturen und zu allen Zeiten Außenseiter. Jedoch wer weiß schon, dass sich bereits in der Steinzeit Sippen um ihre behinderten Menschen gesorgt haben und ihnen halfen, das Überleben zu sichern. Die alten Ägypter tolerierten behinderte Menschen nicht nur, sie integrierten sie auch als Musiker, Sänger, Hofmeister oder Tierhüter. Der Satz Das war schon immer so! verliert somit seine Gültigkeit.
Die Ausstellung baut Vorurteile ab. Von der ersten deutschen Gründung einer Irrenanstalt bis zu den heutigen modernen Werkstätten für behinderte Menschen vergingen nahezu 500 Jahre. Verachtung, Verbannung, Verdrängung, Vertreibung, Vernichtung hießen die historischen Stationen. Erst mit den großen christlichen Anstalten seit Mitte des 19. Jahrhunderts änderte sich langsam die Einstellung der Menschen gegenüber den geistig, psychisch oder körperlich schwerbehinderten Menschen.
Der Titel der Ausstellung Bild-Störung! will provozieren, will unseren friedlich scheinenden Alltag stören, fordert uns auf, unser eigenes Menschenbild zu hinterfragen. Bild-Störung! will eine Aufforderung sein, sich an falschen Menschenbildern wie an falschen Überzeugungen zu stören. Bild-Störung! will aber auch so verstanden werden, dass es in Geschichte und Alltag immer beide Kräfte gibt: solche mit einem gestörten Menschenbild und diejenigen, die eine so gestörte Gesellschaft nicht tatenlos hinnehmen.
Die Ausstellung wurde ergänzt durch einen lokalen Bezug und zwar durch die Darstellung der Unterstützungsangebote für behinderte Menschen in den Lebensbereichen Wohnen, Lernen und Arbeiten in Grevenbroich und Umgebung.
Die 1966 gegründete Mosaik Schule, Schule für Kinder und Jugendliche mit geistiger Behinderung des Rhein-Kreis Neuss in Hemmerden stellte ihre Einrichtung sowie ihre Bildungs- und Erziehungsarbeit vor. Gezeigt wurden u.a. künstlerische Arbeiten wie Bilder, Skulpturen oder Nanas von Schülerrinnen und Schülern aus verschiedenen Jahrgangsstufen.
Die Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung Rhein-Kreis Neuss e.V., präsentierte unter dem Aspekt Leben, Wohnen und künstlerisches Gestalten das Lebens- und Wohnumfeld von behinderten Menschen am Beispiel einiger Wohnhäuser und Wohngemeinschaften. Exponate wie Ton-, Holz-, und Pappmascheearbeiten, Keilrahmenbilder oder auch Mandelas sollen die künstlerische Kreativität der in den Wohnhäusern lebenden behinderten Menschen zeigen.
Die WfB Hemmerden, die Werkstatt für behinderte Menschen Lebenshilfe Grevenbroich präsentierte die Arbeitswelt, in der der behinderte Mensch im Mittelpunkt eines vielfältigen Arbeitsangebotes sowie individueller Betreuung und Förderung steht. Auch die begleitenden Angebote von kreativen oder sportlichen Aktivitäten bis hin zu speziellen Fachdiensten aus dem heilpädagogisch therapeutischen Bereich waren Themen der Präsentation.
Begleitaustellung “Irene Weismantel – Formenflut als Welterfahrung” →
Die Wander-Ausstellung Bild-Störung! der Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen e. V. wurde von der Werkstatt für behinderte Menschen, durch den Geschäftsführer der WFB-Hemmerden, Herrn Wilfried Moll nach Grevenbroich geholt. Die Gesamtplanung erfolgte in Kooperation mit der Mosaik-Schule, der Lebenshilfe Rhein-Kreis Neuss und der Stadt Grevenbroich, Fachbereich Kultur/Stadtarchiv/Museum.
Die Kooperationspartner waren sich von Anfang an im Klaren darüber, dass diese Ausstellung nicht wie üblich in einer Einrichtung für behinderte Menschen gezeigt werden sollte sondern bei freiem Eintritt im Museum Villa Erckens, damit größtmögliche Öffentlichkeit für dieses wichtige Thema garantiert war.